Ausblick an den Finanzmärkten bleibt positiv – trotz Gewitterwolken

Passend zur Jahreszeit ziehen an den Börsen aktuell dunkle Gewitterwolken auf, und das gleich aus mehreren Richtungen. Andreas Enke, Vorstand bei der Geneon Vermögensverwaltung, sieht für Investoren indessen noch lange keinen Grund zu verzagen.

Plötzlich ist Inflation wieder ein Thema. In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im September um 4,1 Prozent und damit so stark wie seit 28 Jahren nicht mehr. In den USA erreichte die Inflation zuletzt sogar einen Wert von mehr als fünf Prozent. Diesseits und jenseits des Atlantiks peilen die Notenbanken eigentlich einen Zuwachs von rund zwei Prozent an. Da stellt sich die Frage, wie lange die EZB und die Fed noch an ihrer ultralockeren Geldpolitik festhalten wollen beziehungsweise können.

Das hängt im Wesentlichen davon ab, ob es sich um zeitlich begrenzte oder nachhaltige Preissteigerungen handelt. Wahrscheinlich werden sich Corona-bedingte Nachholeffekte und die Preissteigerungen bei Energie in den kommenden Monaten schrittweise ausschleifen.

In den USA haben die Notenbanker ziemlich klar erklärt, eine zwischenzeitlich höhere Inflationsrate tolerieren zu wollen. Hier werden in den kommenden Monaten die in ihrer Wirkung zinssenkenden Anleihekäufe zwar schrittweise zurückgefahren, aber die Leitzinsen an sich werden auch für längere Zeit noch nicht angehoben werden. Von einer restriktiven Geldpolitik sind die Amerikaner also weiterhin entfernt.

Zwar steigen in den Staaten die Stundenlöhne, was eine Lohn-Preis-Inflation auslösen könnte. Aber noch immer sind circa sieben Millionen Amerikaner mehr ohne Job als vor dem Beginn der Corona-Krise. Das spielt bei den Entscheidungen der Fed sicherlich eine Rolle. In Europa sind bislang gar keine Anzeichen einer weniger expansiven Geldpolitik zu erkennen. Aus Sicht der Investoren wechseln die Notenbank- Ampeln maximal von grün auf gelb, aber keineswegs auf rot. Das gilt auch für die Geldpolitik in Asien.

Viel Geld vom Staat

Gleichzeitig ist es mit den Sparbemühungen der verschiedenen Regierungen erst einmal vorbei. Mit umfangreichen Ausgabenprogrammen versuchen die Staaten ihre Volkswirtschaften vor den größten wirtschaftlichen Corona-Schäden zu schützen. In den USA hat dafür der Kongress bereits 1,9 Billionen Dollar freigegeben. US-Präsident Joe Biden will noch einmal weitere zwei Billionen Dollar nachlegen, von denen der Kongress aber erst 240 Milliarden Dollar bewilligt hat. Aktuell stecken 1,2 Billionen in den Abstimmungen fest, Demokraten und Republikaner kämpfen noch über die Erhöhung der Schuldenobergrenze für das aktuelle Haushaltsjahr.

Ohne Einigung droht wieder ein Shutdown von Bundesbehörden, welches wir in den letzten 20 Jahren schon drei Mal für längere Zeiträume gesehen haben.

Europa backt etwas kleinere Brötchen, hat aber immerhin ein 750 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket geschnürt. Erste Länder werden diese Mittel auch zeitnah abrufen, beispielsweise Spanien oder Italien.

Japans Regierung agiert weiterhin expansiv, nur Peking steht etwas auf der Bremse. Die chinesischen Tech-Giganten werden immer stärker reguliert, und der Immobilienkonzern Evergrande scheint ungeschützt in die Pleite zu rutschen. Dennoch hat der Parteitag ein starkes Wachstum der Binnenwirtschaft vorgegeben. Das Plus wird in diesem Jahr offiziell auf sechs Prozent veranschlagt, was nach den Schätzungen der OECD eher zu tief als zu hoch geschätzt sein dürfte. In den USA brummt die Konjunktur ebenfalls auf Hochtouren. Und selbst in Europa scheint sich das Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr zu beschleunigen. Auch die Prognosen für nächstes Jahr sind überwiegend positiv. In Bezug auf die Konjunktur stehen die Börsenampeln weiter auf grün.

Keine erneuten Lockdowns

Zwar steigen die Corona-Infektionen in den westlichen Industrieländern wieder an und die Impfbereitschaft der Bevölkerung lässt zu wünschen übrig. Aber die Politik hat klar versichert, von erneuten Lockdowns zumindest in der Fläche absehen zu wollen. Wahrscheinlich würden sich diese in den Demokratien politisch auch gar nicht mehr durchsetzen lassen. In China geht Peking dagegen weiter vergleichsweise rigide vor, wenn irgendwo Infektionen aufflammen. Bei wenigen Fällen kommt es weiterhin zu Massentestungen von Millionen Menschen und lokalen Lockdowns.

Unter dem Strich stehen sich die Fragezeichen hinter der Geldpolitik der Fed sowie die Unsicherheiten in China und umfangreiche Konjunkturprogramme sowie ein florierendes Wachstum der Weltwirtschaft aufgrund starker Nachholeffekte gegenüber. Aber die amerikanischen Notenbanker werden sich kaum dem Vorwurf aussetzen wollen, die Konjunktur abgewürgt zu haben. Bei ihrer Geldpolitik dürften sie auf etwas weniger expansiv, aber sicherlich nicht auf restriktiv umschalten. Und etwaige Probleme in China dürften von den anderen Schwellenländern kompensiert werden, die zum Beispiel von der steigenden Nachfrage nach Rohstoffen profitieren.

Dennoch haben die Börsianer im September nach der monatelangen Rally die Risiken wieder einmal höher gewichtet und die Aktienkurse auf Talfahrt geschickt. Allerdings stellt sich die Frage nach den Alternativen. Zwar steigen die nominalen Zinsen wieder leicht. Aber die erhöhten Inflationsraten sorgen dafür, dass sich die Realzinsen sogar noch stärker in den tiefroten Bereich bewegen.

Vor diesem Hintergrund dürften an den Aktienmärkten zwar die Volatilitäten wieder zunehmen. Die Rally sollte sich aber unter Schwankungen erst einmal fortsetzen.


Andreas Enke