Das Geschäft mit Öl ist ein Auslaufmodel

Öl und die Aktien der Ölproduzenten erleben ein beeindruckendes Comeback.

Mark-Uwe Falkenhain, Vorstand bei der Geneon Vermögensverwaltung, hält das jedoch nicht für nachhaltig.

Seit dem Coronacrash im März 2020 befindet sich Öl im Aufwind. Daran partizipieren natürlich auch die entsprechenden Förderer. Überspitzt ausgedrückt wissen Exxon, Shell und Co. derzeit gar nicht, was sie mit ihren milliardenschweren Gewinnen anfangen sollen. Doch das Comeback des fossilen Rohstoffes und der Mineralölkonzerne wird nicht von Dauer sein.
Noch vor wenigen Jahren wollten immer mehr Anleger aus fossilen Rohstoffen aussteigen. Vor allem Kohle und Öl galten aufgrund der hohen Umweltbelastungen als dreckig. Auch der niedrige Ölpreis schreckte Investoren ab. Kurzfristig hat der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Entwicklung auf den Kopf gestellt. Derzeit ist alles gefragt, was Energie liefert, angefangen von Kernkraftwerken über
Flüssiggas bis Öl.
Im Augenblick spielt der Umweltschutz eine völlig untergeordnete Rolle. Die Energiesicherheit steht an erster Stelle. Es geht schlicht und ergreifend darum, ob und wie die Industrie in diesem und im nächsten Winter produzieren und die Haushalte heizen können. Da gehen eigentlich schon abgeschaltete Kohlekraftwerke wieder ans Netz und die Laufzeiten von Kernkraftwerken werden verlängert – und
das von einem grünen Bundeswirtschaftsminister.


Beschleunigung der Energiewende
Die derzeitige Knappheit von Gas wird aber vor allem in Europa dazu führen, das insbesondere Wind- und Solarenergie jetzt mit einem noch höheren Tempo ausgebaut werden. Denn anders lässt sich die Sicherheit im Energiesektor nicht darstellen. Die jüngste Ankündigung der Opec plus, ab November die Ölförderung um zwei Millionen Barrel pro Tag zu kürzen, zeigt, dass nicht nur Russland, sondern auch arabische Länder wie Saudi-Arabien für die westlichen Industrienationen keine zuverlässigen Partner sind. Das Gegenteil ist der Fall. Energie wird zunehmend als internationales politisches Druckmittel genutzt.
Dazu kommt, dass Wind- und Solarstrom schon vor dem Ukrainekrieg bei den Entstehungskosten gegenüber Kohle- und Kernkraftstrom konkurrieren konnten. Die durch den Krieg rasant gestiegenen Kosten für Öl und Gas bedeuten jetzt für Wind und Solar den nachhaltigen Durchbruch bei der preislichen Wettbewerbsfähigkeit.

Die Krux mit der Speicherung
Der Wermutstropfen bei den Erneuerbaren ist bekannt: die mangelnde Grundlastfähigkeit. Vereinfacht ausgedrückt gehen hier die Lichter aus, wenn Windflaute herrscht und die Sonne nicht scheint. Aber auch dieses Problem lässt sich lösen. Kurzfristig sind moderne Gaskraftwerke nötig, die bei Bedarf schnell
hochgefahren werden können und damit die Grundlastfähigkeit gewährleisten. Diese schneiden in Bezug auf Treibhausgasemissionen deutlich besser ab als Kohle- oder Ölkraftwerke. Außerdem können moderne Gaskraftwerke später einmal auf grünen Wasserstoff umgestellt werden und dann weitgehend emissionsfrei arbeiten.
Perspektivisch wird sich die Problematik der Grundlastfähigkeit durch Batteriespeicher lösen lassen. Technologisch ist das schon heute möglich, rechnet sich in den meisten Fällen aber noch nicht. Die Akkus für Elektroautos haben jedoch über Jahre gezeigt, welche Preisdegressionen bei Batteriespeichern durch
technologische Weiterentwicklungen möglich sind und im Bereich Photovoltaik sieht man eindrucksvoll, welche technologischen Fortschritte möglich sind, wenn eine Technologie über Jahre hinweg angewendet und weiterentwickelt wird.
In der Industrie hat bereits ein Umdenken stattgefunden. RWE, der größte Versorger Deutschlands, hat vor Kurzem mit der Bundesregierung vereinbart, schon 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen und nicht erst 2038 wie ursprünglich geplant. Stattdessen will RWE die erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren massiv ausbauen.
Schon länger fasst der Versorger in seinen Geschäfts- und Quartalsberichten Wind, Solar, Wasser, Biomasse, Gas und den Energiehandel als sein Kerngeschäft zusammen. Kohle und Kernkraft gelten somit nur noch als Randaktivitäten, also als Auslaufmodelle.


Amortisation nach zehn Jahren
Natürlich sind für die europäische Energiewende enorme Investitionen notwendig. Goldman Sachs schätzt die Kosten bis 2050 auf zehn Billionen Euro. Doch damit würde erstens die Versorgungssicherheit enorm gewinnen. Außerdem würden zweitens mit einem zeitlichen Verzug von rund zehn Jahren die Kosten entsprechend sinken. Denn die Energieimporte könnten drastisch zurückgehen.
Die Anleger haben die Energiewende, also die Substitution von Öl und Gas vor allem durch Wind und Solar, bereits vorweggenommen. Trotz der stark gestiegenen Kurse bewerten sie die großen Ölmultis wie Exxon und Shell mit 2023er-KGVs von knapp zehn beziehungsweise gerade einmal fünf. Ørsted wird dagegen mit dem mehr als 25-fachen des für kommendes Jahr erwarteten Gewinns bewertet. Und die Börse hatja be kanntermaßen immer recht.


www.geneon-vermoegen.net

Mark-Uwe Falkenhain