Energiewende reloaded

Kohle, Kernkraft, Flüssiggas – die Europäer versuchen derzeit alles zu bekommen, was zum Heizen und der Stromerzeugung dient. KohlendioxidEmissionen (CO2) sind derzeit maximal zweitrangig. Doch die ökologische Energiewende muss und wird weitergehen.
Der Ausstieg aus dem Kohleausstieg – für die Ampel in Berlin ist das kein Problem. Vielmehr machen derzeit die niedrigen Pegel von Rhein und Co. Sorgen, weil sich angesichts des Niedrigwassers auf den Flüssen kaum Kohle transportieren lässt. Derzeit leidet Westeuropa unter der schwersten Dürre seit Jahren. Der Rhein ist nur noch ein Schatten früherer Tage. Für andere Flüsse gilt das analog, wenn sie überhaupt noch Wasser führen.

Eine Verlängerung der Laufzeiten der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke – zumindest im Streckbetrieb, wo die Leistung runtergefahren und dadurch mit den alten Brennstäben verlängert wird – ist in der Diskussion. Selbst die Grünen zeigen sich dafür zumindest teilweise offen. Eigentlich sollten die Atommeiler Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 spätestens Ende des Jahres vom Netz gehen, jetzt ist
ein begrenzter Weiterbetrieb zumindest nicht unwahrscheinlich. Bis vor dem Beginn des Überfalls Russlands auf die benachbarte Ukraine wäre das in Deutschland undenkbar gewesen. Zur Erinnerung: Der Krieg begann ziemlich genau vor einem halben Jahr.

Den wahrscheinlich größten Paradigmenwechsel gibt es in der deutschen Energiepolitik jedoch beim Gas. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will so schnell wie möglich russisches Pipelinegas durch Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) ersetzen. In Wilhelmshafen und in Brunsbüttel sollen zeitnah zwei
schwimmende LNG-Terminals festgemacht werden, um etwaige Lieferungen zu löschen, spricht zu entladen. Zwei entsprechende LNG-Tanker, die über notwendige Regasifizierungsanlagen verfügen, hat sich Deutschland bereits gesichert. Zwei weiter schwimmende LNG-Terminals befinden sich in der Planung.


Verbreitet, aber ziemlich aufwendig
Während Europa vor allem Pipelinegas aus Russland oder Norwegen kennt, nutzen andere Länder primär LNG. Das gilt vor allem für den asiatischen Raum, wo es so gut wie keine Pipelines gibt. Japan, China und Südkorea stehen für gut die Hälfte der weltweiten LNG-Nachfrage. Das Prozedere erfolgt vereinfacht ausgedrückt wie folgt: Erdgas wird auf mehr als minus 160 Grad Celsius runtergekühlt und damit verflüssigt, um das Volumen drastisch zu vermindern. Dann nehmen es spezielle LNG-Tanker auf, die den Rohstoff zu den Zielhäfen transportieren. Dort wird das LNG dann erwärmt, wodurch es wieder in einen gasförmigen Aggregatzustand wechselt und in das bestehende Pipelinenetz eingespeist werden kann. Es handelt sich um ein Verfahren, das insgesamt extrem energieaufwändig ist.


Zwischen Kohle- und Kernkraft sowie LNG besteht ein fundamentaler Unterschied. Die Kohle- und Kernkraftwerke inklusive der nötigen Infrastruktur bestehen bereits. Sie müssen nur weiter am Laufen gehalten werden. Die Infrastruktur für die Nutzung von Flüssiggas muss dagegen erst neu aufgebaut werden. Bei Kohle und Atom geht es also um kurzfristige Maßnahmen, damit in Deutschland auch in den beiden nächsten Wintern die Industrie weiter produzieren kann und Haushalte heizen können. Bei LNG geht es um eine längerfristige Strategie. Es macht überhaupt keinen Sinn, für viel Geld LNG-Terminals zu errichten und an die zum Teil auch noch erst fertigzustellenden Pipelines anzuschließen, was auch mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, um das Ganze dann in eineinhalb bis zwei Jahren wieder vom Netz zu nehmen.


Energiewende bleibt notwendig
Der Pragmatismus erfordert es, die Kohle- und wahrscheinlich auch die Kernkraftwerke eine begrenzte Zeit lang weiter laufen zu lassen. Mittelfristig müssen aber weiterhin vor allem die Erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Nur mit Sonnen- und Windkraft wird sich Europa von Importen fossiler Energieträger
unabhängig und damit nicht mehr politisch erpressbar machen können. Und nur mit Sonnen- und Windkraft kann Europa seinen Beitrag dazu leisten, die Erderwärmung auf die international vereinbarten 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Um die Grundlastfähigkeit zu gewährleisten, das heißt, dass es Energie auch in der Nacht gibt, wenn kein Wind weht, sind Gaskraftwerke notwendig. Zumindest so lange, bis es große Energiespeicher gibt, die sich wirtschaftlich betreiben lassen.


Die 25000-Euro-Frage
Die Energiewende muss aufgrund des Kriegs in der Ukraine eine Pause machen, ob das passt oder nicht. Spätestens in zwei Jahren dürfte es aber möglich sein, dass Europa von russischen Öl- und Gaslieferungen unabhängig ist. Dazu ist aber zeitnah der massive Ausbau von alternativen Energiequellen notwendig. Es geht jedoch nicht nur um Europa und auch nicht um die nächsten ein, zwei Jahre. Bei Erneuerbaren Energien und bei Maßnahmen der Energieeffizienz handelt es sich um einen Megatrend.


Auf den können Anleger mit Investments auf den Global Challenges Index der Börse Hannover/Hamburg setzen. Der Index umfasst 50 internationale Unternehmen, die mindestens eins der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen unterstützen. Ziel 7 ist bezahlbare und saubere Energie. Darauf zahlen Indexwerte wie EDP Renováveis (Windparks), First Solar (Photovoltaik), oder Nordex (Windkrafträder), Ormat (Geothermie) und Orsted (Windparks) ein.


Auch wenn mittlerweile mit festverzinslichen Anlagen wieder positive Renditen zu erzielen sind, bleibt der Hauptrenditebringer mit Abstand die Aktie. Dabei ist die Aktienquote immer abhängig von individuellen Kriterien wie dem Anlagehorizont oder der Risikotragfähigkeit. Schließlich wird aufgrund der globalen Lage an den Märkten das Risikomanagement immer wichtiger.


https://www.geneon-vermoegen.net

Mark-Uwe Falkenhain