Nachhaltige Aktieninvestments bewähren sich in Krisenszeiten

Nachhaltige Aktieninvestments bewähren sich in Krisenzeiten

Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine sind auf einmal Aktien von Öl- und Waffenproduzenten gefragt. Andres Enke von Geneon Vermögensmanagement rät trotzdem weiter zu nachhaltigen Investments und favorisiert dabei einen bestimmten Index, der sich auch schon in der Corona-Krise bewährt hat.

Wer hätte das noch vor Kurzem gedacht: Der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kauft für 1,5 Milliarden Euro verflüssigtes Erdgas (LNG), um die Gasspeicher in Deutschland zumindest etwas wieder aufzufüllen. Vertragsdetails sind zwar bislang nicht bekannt, der Kauf dürfte aber angesichts der
Versorgungsunsicherheiten zu Preisen auf Rekordniveau stattfinden.


Gleichzeitig sollen in der EU plötzlich Gas- und Kernkraftwerke im Rahmen der Taxonomie gefördert werden. Zwar handelt es sich offensichtlich um Brückentechnologien, die in Kombination mit erneuerbaren Energien die Grundlastfähigkeit gewährlisten können; was an Gas oder Kernkraft allerdings grün oder nachhaltig sein soll, erschließt sich kaum.


Auch an den Aktienmärkten scheinen durch den russischen Gewaltakt plötzlich neue Regeln zu gelten. Die Aktien von westlichen Öl- und Gaskonzernen sind auf einmal gefragt wie schon lange nicht mehr. Exxon Mobile, Chevron oder auch Eni oder Total sind zum Teil massiv angesprungen. Das sind alles Aktien, mit denen eigentlich bis vor Kurzem immer weniger Anleger etwas zu tun haben wollten. Denn bei den
boomenden nachhaltigen Investmentstrategien sind die Produzenten von Öl und Gas schon bei der Anwendung einfacher Ausschlusskriterien aus dem Investmentuniversum rausgeflogen.


Dasselbe gilt für die Aktien von Herstellern von Rüstungsgütern. Als Bundeskanzler Olaf Scholz ankündigte, den Rüstungsetat in den kommenden Jahren um insgesamt 100 Milliarden Euro aufzustocken, kannten die Kurse von Rheinmetall oder Hensold kein Halten mehr. In der Zeit davor hatten sich diese Aktien vor allem seitwärts entwickelt. Auch die Aktien von ausländischen Waffenherstellern wie BAE Systems oder Raytheon sind zuletzt gut gelaufen.


Diese zumindest kurzfristige Trendwende kommentierte ein Finanzportal mit der Einschätzung, dass der Megatrend nachhaltige Geldanlage auf dem Boden neuer Tatsachen lande. Tatsächlich hat bis zum Überfall Russlands auf die Ukraine die Entwicklung hin zu nachhaltigen oder ESG-konformen Geldanlagen immer mehr an Momentum gewonnen. So ziemlich alle Banken und Vermögensverwalter bieten
mittlerweile Investmentstrategien an, die sie als nachhaltig bezeichnen. Im vergangenen Jahr waren weltweit insgesamt rund 6000 als nachhaltig gelabelte Fonds im Angebot.


Zeitenwende durch Ukraine-Krieg?


Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklung drängt sich die Frage auf, ob es sich bei nachhaltigen Kapitalanlagen doch mehr um einen Mode- als um einen Megatrend handelt. Kaum jemand bezweifelt, dass vor allem die Staaten in Europa zumindest in den kommenden Jahren mehr fossile Energierohstoffe und mehr Rüstungsgüter benötigen. Vereinfacht ausgedrückt haben leere Gasspeicher und das Aus für
Nordstream 2 den Green Deal als Thema verdrängt. Und dass die Bundeswehr in den vergangenen Jahren maßlos kaputtgespart wurde, dürfte mittlerweile auch unumstritten sein.


Nachhaltige Investments haben die Anleger bis zu Ukraine-Krieg vor allem durch zwei Merkmale angezogen. Erstens liefern sie neben der finanziellen auch eine soziale und/oder ökologische Rendite. Mit nachhaltigen Geldanlagen verdienen Investoren nicht nur Geld, sondern üben gleichzeitig einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt aus. Als Orientierungsrahmen können hier beispielsweise die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen dienen. Dieses Argument hat nach wie vor Bestand.


Zweitens heißt es pro nachhaltige Investments, dass die Einbeziehung sozialer und ökologischer Kriterien die Performance mindestens stabilisiere, wenn nicht sogar unterstütze. Denn dadurch lassen sich verschiedene Risiken wie eine Beschädigung der Reputation oder Strafzahlungen wegen Umweltdelikten oder illegalen Deals zumindest reduzieren. Angesichts der jüngsten massiven Outperformance von
Energiemultis und Waffenherstellern sind hier zuletzt allerdings Zweifel aufgekommen.


GCX schlägt Dax


Wendet man den Blick ab von Einzelwerten in Sondersituationen hin zum breiten Markt, ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Der Dax mit seinen Auto-, Chemie- und Industriewerten hat seit Jahresanfang um rund 14 Prozent an Wert verloren. Der aus meiner Sicht Marktführer unter den echten Nachhaltigkeitsindices „Global Challenges Index“ (GCX) hat seitdem circa vier Prozentpunkte weniger verloren. Ein noch
klareres Ergebnis ergibt sich bei der Berücksichtigung der Corona-Krise. Anleger, die einen Tag vor Beginn des Corona-Crashs den Dax gekauft haben, liegen heute trotz der anschließenden Rally gerade einmal zwei Prozent im Plus. Der GCX ist in diesem Zeitraum dagegen um circa 18 Prozent gestiegen.


Der GCX umfasst 50 internationale Aktiengesellschaften, die auf sieben globale Herausforderungen ausgerichtet sind. Zu diesen zählen unter anderem die Bekämpfung der Armut und der Ursachen und Folgen des Klimawandels. Neben der regional deutlich breiteren Streuung zahlt ganz offensichtlich auch die nachhaltige Ausrichtung des Index auf das Konto der Anleger ein – trotz des Kriegs in der Ukraine oder der Pandemiekrise 2020. Und ganz wichtig: diese Outperformance besteht seit Indexauflage 2007.

Andreas Enke